Fehler bei der Love Parade Überwachungsvideos zeigen fatale Kettenreaktion

Wer trägt die Schuld an der Love-Parade-Katastrophe? Nach SPIEGEL-Informationen gab es schwere Fehler bei Polizei, Verwaltung und Veranstalter. Beschlagnahmte Überwachungsvideos zeigen, wie die Kettenreaktion durch Unachtsamkeit mit ausgelöst wurde.
Aufnahme einer Überwachungskamera: Ordner schritten nicht ein

Aufnahme einer Überwachungskamera: Ordner schritten nicht ein

Foto: SPIEGEL TV

Hamburg - Wer hat Schuld an der Katastrophe von Duisburg? Fehler haben nach Informationen des SPIEGEL offenbar sowohl Polizei und Stadt als auch der Veranstalter gemacht. Darauf weisen interne Unterlagen und andere Beweismaterialien hin:

  • Beschlagnahmte Überwachungsvideos weisen darauf hin, dass der Ansturm auf die Treppe, an der viele Opfer starben, auch durch die Unachtsamkeit von Security-Mitarbeitern ausgelöst wurde. Wie die Aufnahmen belegen, schritt ein Ordner zunächst nicht ein, als um 16.16 Uhr ein Mann einen Schutzzaun überstieg und über die Treppe nach oben lief. Diese Aktion löste eine Kettenreaktion aus, die dazu führte, dass Hunderte Eingeschlossene zu der Treppe drängten.
  • So hatte der vom Veranstalter eingesetzte Crowd-Manager, der aus dem Container an der Hauptrampe den Publikumszugang steuern sollte, nach eigenen Angaben bereits vor 15 Uhr Hilfe bei der Polizei angefordert. Entgegen seines Wunsches sei der Verbindungsbeamte neben ihm im Container aber nicht weisungsbefugt gewesen. Außerdem habe der Polizist kein Funkgerät gehabt. Dies habe dazu geführt, dass erst mit 30-minütiger Verzögerung ein leitender Beamter eingetroffen sei. Aus Polizeikreisen hieß es, möglicherweise habe es eine solche Verspätung gegeben. Sie sei aber nicht ins Gewicht gefallen.
  • Auch der Veranstalter, die Lopavent GmbH, gerät weiter in die Kritik. Aus einem Firmenpapier, das dem SPIEGEL vorliegt, geht hervor, dass Lopavent schon für den Nachmittag mit Zehntausenden abströmenden Besuchern gerechnet hatte. "Im Zeitfenster zwischen 15 und 16 Uhr werden sich Zu- und Abstrom die Waage halten", heißt es in dem Dokument. Gleichwohl hatten Stadt und Veranstalter auf getrennte Zu- und Abwege verzichtet, so dass sich beide Ströme blockierten. "Es gab Phasen zwischen 15 und 17 Uhr, wo es keinen richtigen Ausgang gab", bestätigte der Crowd-Manager.

Weiter Hintergründe zu dem Thema sendet das SPIEGEL TV Magazin am Sonntag um 22:15 Uhr auf RTL.

Bei der Love Parade am 24. Juli war auf dem Gelände in Duisburg eine Massenpanik ausgebrochen. 21 Menschen starben, mehrere hundert weitere wurden verletzt. Bisher hat niemand offiziell die Verantwortung für die Katastrophe übernommen. Vorwürfe vor allem an den Veranstalter, die Massenveranstaltung nicht sorgfältig genug vorbereitet zu haben, werden derzeit untersucht.

Adolf Sauerland

Auch gegen den Duisburger Oberbürgermeister gibt es massive Vorwürfe. Viele Duisburger werfen der Stadt vor, die Love Parade trotz massiver Sicherheitsbedenken genehmigt zu haben. Sauerland hat einen schnellen Rücktritt bisher abgelehnt. Offenbar aber setzt der CDU-Politiker auf ein geordnetes Abwahlverfahren. So melden es übereinstimmend die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" und die "Süddeutsche Zeitung". Demnach ist Sauerland Parteikreisen zufolge mit seiner Abwahl einverstanden.

Trauerfeier in Duisburg

In einer bewegenden Trauerfeier haben am Samstag Tausende in Duisburg der Opfer der Love Parade gedacht. Bundespräsident Christian Wulff und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sprachen den Angehörigen ihr Mitgefühl aus. Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) versprach Aufklärung, wer für die Massenpanik die Verantwortung trägt. Sauerland blieb dem ökumenischen Gottesdienst in der Salvatorkirche fern. Familien und Freunde konnten nach dem Gottesdienst - abgeschirmt von der Öffentlichkeit - an der Unglücksstelle um ihre Toten trauern.

Bundeskanzlerin Merkel hat sich nach Gesprächen mit den Angehörigen der Opfer des Love-Parade-Unglücks von Duisburg am Rande der Trauerfeier tief berührt gezeigt. Die Kanzlerin sagte der "Bild am Sonntag": "Diese Gespräche mit den Angehörigen sind mir sehr zu Herzen gegangen. Aus dem schrecklichen Ereignis von Duisburg müssen jetzt die richtigen Konsequenzen gezogen werden."

Tausende verfolgten die einstündige Übertragung des Gottesdienstes in zwölf Kirchen und im Fußballstadion des MSV Duisburg. Dort fanden sich statt der erwarteten Zehntausenden nur rund 1500 Besucher zusammen. Auf dem Rasen lag ein schwarzes Holzkreuz, auf dem Kerzen brannten. "Wir kamen in Freude, Liebe und Vertrauen. Jetzt sind wir tot, verletzt und traumatisiert. Musste das sein?", hieß es auf einem Transparent.

ffr/dpa
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